Benjamin A. aus Afghanistan, Schiffsmechaniker

Benjamin A. ist Hafenschiffer. „Ein guter Job – ich liebe ihn!“ Benjamin hieß früher einmal Alireza und kommt aus Afghanistan. Von dort ist er im Bürgerkrieg mit der Familie in das benachbarte Iran geflohen, als Jugendlicher nach Afghanistan zurückgekehrt und aufs Neue geflohen vor den Taliban.

Seit 2015 ist Benjamin in Deutschland, hat sich selbst die Sprache beigebracht, den Sprachtest bestanden und Fürsprecher gefunden, die ihm beim Start in seinen Traumberuf helfen. „Der versteckt sich nicht, der sucht die Arbeit," erkennt schon sein erster Chef und unterstützt ihn. Benjamin macht eine Ausbildung, beendet sie 2021 mit der Prüfung zum Hafenschiffer.

2023 stellt ihn die Hamburger Port Authority HPA ein. Er ist für das Tochterunternehmen Flotte Hamburg GmbH & Co. KG tätig und jetzt mit vollem Einsatz Decksmann auf dem Lotsenboot. „Wenn das Schiff reinkommt, bringen wir den HALO, das ist der Hafenlotse, zum Containerschiff. Wenn das Schiff abgeht von Hamburg, dann bringen wir den ELO dahin, den Elblotsen.“ Benjamin arbeitet als Schiffsmechaniker – dazu gehört auch, die Schiffe technisch zu kontrollieren, Öl, und Batterie ständig zu prüfen und so dafür zu sorgen, dass die Lotsenboote jederzeit auslaufbereit sind. Facharbeiter mit seemännischen Tätigkeiten heißt das im Amtsdeutsch. Er ist der zweite Mann an Bord, das Sagen hat hier der Schiffsführer, ganz oben sitzt die Flotte Hamburg in Gestalt von Clemens Heinrich, Leiter der nautischen Abteilung des Unternehmens. „Mein Chef ist jetzt der Staat,“ erklärt der junge Mann selbstbewusst. Ein guter Chef? „Ist sehr okay,“ befindet Benjamin. Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit, denn auch Clemens Heinrich lobt Benjamin. Der sei „pflichtbewusst und erfüllt vollumfänglich und verlässlich seine Arbeit“ – so klingt das, wenn ein zufriedener Vorgesetzter offiziell über einen Angestellten spricht. „Er ist bei uns ist mit festem Arbeitsvertrag, Versicherung und allem, was dazugehört.“ Insofern gäbe es, ergänzt Clemens Heinrich, von seiner Seite „keine Schwierigkeiten, ihn weiter zu beschäftigen und ihn auch zu unterstützen, wenn er sein Patent machen will.”

Das Patent für Binnenschifffahrt ist der nächste große Schritt, den Benjamin sich fest vorgenommen hat. Clemens Heinrich wird dann noch etwas persönlicher und spricht von der gegenseitigen Wertschätzung und wie wichtig sie für gute Arbeit und ein menschliches Miteinander ist. Wer zur See fährt, kommt oft von weither, auch die ‘Flotte Hamburg‘ beschäftigt Menschen aus Lateinamerika, der Türkei, Polen oder eben aus Afghanistan. „Stress gibt es immer auf der Arbeit,“ sagt Benjamin und fährt mit einem Lachen fort, „aber wenn es Ärger gibt, mache ich einen Spaß und versuche, die Leute zum Lachen zu bringen. Ich habe immer in meinem Leben versucht, dass ich positiv auf die Welt sehen kann.“ So ein klares Bekenntnis zum positiven Denken klingt überraschend aus dem Munde eines Achtundzwanzigjährigen, der schon viel Traumatisierendes erleben musste auf seiner Flucht.

Dies ist die andere Seite des zielstrebigen, ehrgeizigen jungen Mannes – er will helfen. Viel und Vielen. Immer wieder reist Benjamin in die gefährdeten Gebiete dieser Welt, um Menschen in Not zu treffen, ihnen Lebensmittel und Medikamente zu bringen und sie auch ganz praktisch beim Leben in unwürdigen Lagern zu unterstützen. Und mit Geld – Geld, dass er mit seiner Arbeit hier verdient und von dem er regelmäßig so viel, wie es ihm möglich ist, weitergibt. Sein Ziel: „Ich will richtig reich werden, dass ich mehr Leuten helfen kann.“ Das Elend der Flüchtlinge lässt Benjamin oft nicht schlafen – zu tief sitzen die eigenen traumatischen Erfahrungen der Flucht über das Wasser, das Unvermögen, andere zu retten.

Was gibt ihm die Kraft, immer weiterzumachen? „Man muss Haltung zeigen. Man darf nie aufgeben, wenn du einmal aufgibst, ist es vorbei.“ Und dann hat er wieder dieses strahlende Lächeln im Gesicht: „Wenn Du negativ gibst, dann bekommst du auch negativ und du bist unglücklich. Es geht einem besser, wenn man positiv ist, auch wenn es schwer ist!“

Das Interview führte Sabine Rheinhold